Die Wahlrechtsreform erklärt. Der aktuelle Stand.

Foto: Marcel Ditrich

Die Zahl der Abgeordneten im Bundestag ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. 736 Abgeordnete sitzen derzeit im Deutschen Bundestag. Das liegt deutlich über der im Bundeswahlgesetz normierten Regelgröße von 598 Abgeordneten. Das soll sich in Zukunft ändern, denn: Reformen unseres Wahlrechts sind dringend notwendig.

Was gilt bisher?

Bisher sieht die personalisierte Verhältniswahl zur Bundestagswahl vor, dass jeder Wahlberechtigte zwei Stimmen abgeben kann: Die Erststimme ist für einen Kandidaten aus dem Wahlkreis bestimmt und entscheidet darüber, wer als Direktkandidat für den jeweiligen Wahlkreis der insgesamt 299 Wahlkreise ins Parlament einzieht. Die Zweitstimme ist für eine Partei vorgesehen und bestimmt, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag hat. Dadurch können sog. Ausgleichs- und Überhangmandate entstehen, die zu einer größeren Anzahl an Abgeordneten führen.

Wie soll das Wahlrecht geändert werden?

Die vom Bundestag eingesetzte Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit beschäftigt sich schon seit knapp einem Jahr mit Maßnahmen zur Begrenzung der Größe des Deutschen Bundestages. Vorschläge und Empfehlungen zur Reformierung des Wahlalters und der Dauer einer Legislaturperiode zu erarbeiten, gehören dabei genauso zu den Aufgaben der 26 Mitglieder der Wahlrechtskommission wie die Modernisierung der Parlamentsarbeit und der Repräsentanz von Frauen und Männern. Als eine der beiden Vorsitzenden der Wahlrechtskommission kann ich seit Einsetzung der Kommission einen wichtigen Beitrag zu den Reformen und Modernisierungsplänen leisten. Eine Einigung auf ein Modell zu finden, mit dem alle Parteien zufrieden sind, gestaltet sich allerdings schwierig. Deswegen sind jetzt alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien gefragt. Es muss ein partei- und fraktionsübergreifenden Konsens für eine Wahlrechtsreform erreicht werden.

Welche Vorschläge werden aktuell diskutiert?

Um die aktuellen Gesetzentwürfe und Anträge für die Wahlrechtsreform ging es bei der Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses unter Berücksichtigung der Stellungnahmen von neun Sachverständigen am Montag.

Der aktuelle Vorschlag der Koalitionsfraktionen der Ampelparteien sieht vor, die Zahl der Abgeordneten konkret auf 598 Abgeordnete zu begrenzen und die 299 Wahlkreise zu erhalten. Die sog. „Wahlkreisstimme“ und „Hauptstimme“ sind aber so ausgestaltet, dass künftig nicht alle Direktkandidaten, die in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhalten, auch in den Bundestag einziehen. Stattdessen orientiert sich die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag ausschließlich an der „Hauptstimme“. Denn: Nur der Direktkandidat zieht in den Bundestag ein, der gleichzeitig über Hauptstimmendeckung verfügt. Anderen Wahlkreissiegern ohne Hauptstimmendeckung wird der Einzug ins Parlament verweigert und überhängenden Direktmandate werden gekappt. Das führt dazu, dass zahlreiche Wahlkreise künftig nicht mehr durch einen Wahlkreiskandidaten im Bundestag vertreten sein könnten. Das beeinträchtigt die parlamentarische Vertretung von Bürgerinteressen. Das ist nicht akzeptabel. Klar ist, die Größe des Bundestages muss spürbar reduziert werden. Aber nicht durch einen Bruch mit dem System der personalisierten Verhältniswahl und auf Kosten der Bürgerstimme.

Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion hält stattdessen an dem bewährten personalisierten Verhältniswahlrecht fest. Dabei soll die Anzahl der Abgeordneten auf eine Regelgröße von 590 Abgeordneten reduziert werden. Durch eine Reduzierung der Wahlkreise auf 270 bei gleichzeitiger Erhöhung der Regelgröße für Listenmandate auf 320 Abgeordnete wird dabei die Zahl der Überhangs- und Ausgleichsmandate deutlich sinken. Überhangmandate einer Partei in einem Bundesland werden wie bisher mit Listenmandaten der gleichen Partei in anderen Bundesländern verrechnet. Gleichzeitig wird die Zahl der unausgeglichenen Überhangsmandate auf die verfassungsrechtlich zulässige Anzahl erhöht. Zudem sorgt eine Anhebung der Grundmandatsklausel dafür, dass nur Parteien berücksichtigt werden, die in mindestens fünf statt bisher drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Damit wird die Anzahl der Abgeordneten im Deutschen Bundestag gesenkt und die Bürgerstimme gleichzeitig erhalten.

Wie geht es jetzt weiter?

Über die beiden Gesetzesvorschläge und vier Anträge zur Wahlrechtskommission wird weiter beraten und im Plenum auch abgestimmt werden. Ich gehe davon aus, dass das Gesetz noch vor Mai 2023 beschlossen wird. Zusätzlich wird die in der letzten Wahlperiode beschlossene Reduzierung auf 280 Wahlkreise, für die die Wahlkreiskommission ihre Vorschläge erarbeitet hatte, wieder rückgängig gemacht.