Nina Warken will im Wahlkampf keine Rücksicht auf die FDP nehmen

Bild: Tobias Koch
Heidelberg/Berlin. Die Bundestagsabgeordnete Nina Warken Nina Warken(45) aus Bad Mergentheim ist aktuell die „starke Frau“ der Südwest-CDU. Als Parlamentarische Geschäftsführerin der Unions-Bundestagsfraktion, aber auch wegen ihrer zentralen Position im Wahlkampf. Für die Landesliste wurde sie für Platz 2 nominiert, hinter Spitzenkandidat Thorsten Frei. Und als Generalsekretärin der baden-württembergischen CDU ist sie gewissermaßen die „Cheforganisatorin“ der anstehenden Kampagnen.
Frau Warken, die politische Konkurrenz von FDP und SPD hat – auf je eigene Art – den Start in den Wahlkampf verstolpert. Wie sehr hat Sie das überrascht?
Wir konzentrieren uns auf unseren Wahlkampf. Aber wir sollten weniger über die Umstände des Ampel-Aus reden und viel mehr analysieren, was bei der Ampel inhaltlich alles schief gelaufen ist. Wir müssen jetzt nach vorne blicken. Da hoffe ich, dass wir uns nach den Feiertagen tatsächlich mit Positionen, mit Inhalten, mit Wahlprogrammen auseinandersetzen können.
Aber Sie nehmen die anderen ja wahr. Mit Entsetzen über die Selbstmontage, oder mit stiller Freude?
Weder noch. Uns geht es darum, dass wir gut in die Weihnachtspause kommen mit unserem Wahlprogramm, dass wir geschlossen untereinander bleiben und dann einen guten Start hinlegen. Alles andere müssen die anderen Parteien für sich klären.
Es ändert aber die Machtperspektiven, wenn höchst fraglich ist, ob der potenzielle gelbe Koalitionspartner es überhaupt in den nächsten Bundestag schafft. Bereitet Ihnen das nicht ein bisschen Sorge?
Stand heute ist, was FDP und andere anbelangt, vieles möglich. Wichtig ist, dass wir so stark werden, dass an uns keiner vorbeikommt. Wir wollen diejenigen sein, die ihre Inhalte durchsetzen können. Koalitionsüberlegungen will ich da noch gar nicht zum Thema machen.
Einer „Zweitstimmen-Hilfe“ für die Liberalen hat Friedrich Merz schon eine Absage erteilt.
Unsere Maßgabe ist: Beide Stimmen für die CDU. Das verkorkste Ampel-Wahlrecht führt dazu, dass wir verstärkt darauf hinweisen, dass die CDU die Erst- und Zweitstimme braucht. Da geht es um unsere Kandidaten in den Wahlkreisen und darum, sie abzusichern. Das ist sicherlich etwas, was der FDP nicht helfen wird. Aber die hat das Wahlrecht mit zu verantworten.
Womit auch klar ist, dass ein Koalitionswahlkampf keine Option mehr ist. Sind die Grünen wieder im Rennen – als Alternative zu einer Koalition mit der SPD?
Ich erlebe die Grünen ja täglich, gerade auch in den Sitzungswochen im Plenum. Deutschland steht mit der Regierungsbeteiligung der Grünen im Bund so schlecht da wie lange nicht mehr. Das wird aber von ihnen ignoriert. Um irgendwie wieder Verantwortung übernehmen zu können, müssten sie zunächst mal die Augen für die Realität öffnen und feststellen, was falsch gelaufen ist. Das sehe ich derzeit nicht. Da kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, wie wir mit diesen Grünen im Bund koalieren wollen. Da bestehen doch oft andere Haltungen, gerade was die Migrationspolitik anbelangt, aber auch beim Selbstverständnis.
Eine Absicht, unter anderem bei der SPD, scheint es zu sein, einen Wirtschaftswahlkampf zu führen. Sagt Ihnen das seitens der CDU zu?
Wirtschaft ist eines der Themen, das die Menschen am meisten bewegt. Wohlstand und Wachstum gehen nur mit einer funktionierenden Wirtschaft. Die Menschen machen sich zunehmend Sorgen um ihre Arbeitsstelle und ihre Zukunft. Wir hören immer wieder von Schließungen, von Betriebsverlegungen, von Entlassungen. Das wurde bisher alles ein Stück weit ignoriert und schön geredet von der Ampelregierung. Wir wollen die Wirtschaft wieder in den Mittelpunkt stellen. Wir haben die Antworten, wie man das Land wieder wettbewerbsfähiger machen kann. Das ist auch eine Kernkompetenz von Friedrich Merz.
Was wäre das zentrale Schlagwort, wenn es um Ihre Wirtschaftskompetenz geht? Was bieten Sie auf als Lösungs- und Rettungsvorschlag?
Dass Deutschland wieder wettbewerbsfähig sein muss. Das bedeutet gut ausgebildete Fachkräfte, Energiepreise, die es den Unternehmen möglich machen, im Land ihre Produktion aufrecht zu erhalten, wettbewerbsfähige Steuern, ein echtes Unternehmenssteuerrecht, weniger Bürokratielasten. Wir stehen für verlässliche Rahmenbedingungen, Vertrauen in die Wirtschaft und eine Politik, bei der sich Leistung lohnt.
Also ein Bündel an Maßnahmen, die dann insgesamt die Wirtschaft entlasten?
Genau. Da kann man den Schalter nicht von jetzt auf gleich umlegen. Aber ich glaube, man kann die Weichen wieder richtig stellen. Wir sagen den Unternehmen: Wir wollen, dass ihr hier produziert. Wir wollen, dass ihr hier eure Standorte aufrechterhaltet, dass ihr Arbeitsplätze schafft. Und wir wollen die Rahmenbedingungen so setzen, dass es für euch gut ist.
Und da wäre Merz aus Ihrer Sicht mit seiner großen Erfahrung in der Wirtschaft derjenige, der mehr Kompetenz mitbringt als Scholz und Habeck, die die letzten drei Jahre verantwortlich waren?
Friedrich Merz hat sowohl in als auch außerhalb der Politik viel Erfahrung gesammelt. Er hat auch Vorschläge auf den Tisch gelegt, wie er die Wirtschaft wieder ankurbeln will. Er ist der richtige Mann, Friedrich Merz kann Kanzler. Er zeigt Führungsstärke, er ist pragmatisch und packt beherzt an und hat es geschafft, die Partei und die Fraktion gut aufzustellen, zusammenzuführen. Die Mitbewerber haben in der Ampel nicht geliefert.
Wie gehen Sie mit dem Thema Migration um? Als Wahlkampfthema droht es eher die AfD stark zu machen. Trotzdem stoßen jetzt CDU-Politiker wieder Debatten an – etwa wenn es um Syrien geht, oder um die Nennung der Nationalität von Straftätern.
Migration ist ein Thema, das man angehen und das man lösen muss. Wir brauchen eine offene Diskussion, ohne dass derjenige, der über Probleme der Migration spricht, direkt in eine Ecke gestellt wird. Deshalb müssen wir diese Debatte in der Mitte der Gesellschaft führen, dafür steht die Union.
Welche Probleme wollen Sie denn diskutieren?
Ich bin viel vor Ort und im Gespräch und sehe etwa die Situation in Kitas und Schulen, wo einfach eine Überforderung da ist. Das darf man nicht schönreden,. Unsere Kommunen sind überlastet und es gibt im Übrigen auch Herausforderungen beim Thema Sicherheit und Migration. Die Gewaltdelikte sind gestiegen und eine hohe Zahl der Tatverdächtigen haben Migrationshintergrund. Auch das darf man nicht verschweigen und gleichzeitig nicht pauschalisieren. Das muss man ohne Schaum vor dem Mund analysieren und die richtigen Schlüsse ziehen. Wer sich hier nicht an unsere Regeln hält, muss Konsequenzen erfahren.
Ist es richtig, kurz vor Weihnachten über die Rückkehr nach Syrien zu diskutieren?
Die Lage in Syrien ist aktuell noch unübersichtlich. Im Moment können wir nur hoffen, dass sich die Situation unter den neuen Machthabern auch wirklich verbessert. Wir müssen sehr genau hinschauen, wie mit Minderheiten wie Christen und Kurden umgegangen wird. Die Freudenfeiern syrischer Flüchtlinge in deutschen Städten machen aber auch deutlich, dass für viele der Fluchtgrund entfallen zu sein scheint. Wir müssen die Lage genau im Blick behalten. Das müssen unsere Behörden berücksichtigen.
Die Zahl der neu ankommenden Geflüchteten ist deutlich zurückgegangen. Der Winter müsste den Kommunen eigentlich Entspannung bringen.
Es sind immer noch viele Menschen da, um die man sich noch kümmern muss, bei denen die Integration auch zu scheitern droht. In den Kitas erleben wir eine prekäre Situation, weil Plätze fehlen und niemand dort die Kinder richtig betreuen kann, die kein Deutsch können. Dann geht es weiter mit der Wohnungsnot, mit der Gesundheitsversorgung. Das alles ist nicht weg, nur weil jetzt weniger Zuzug ist. Außerdem ist damit zu rechnen, dass der Zuzug auch wieder steigt. Ein kurzes Durchschnaufen heißt nicht, dass es eine Entspannung in den Kommunen gibt. Deswegen bleibt es ein Thema und wir müssen da Grundlegendes ändern – auch auf europäischer Ebene.
Was die Kommunen auch beklagen: Es gibt immer mehr Aufgaben, die aber nicht gegenfinanziert werden. Was würde sich unter einer unionsgeführten Bundesregierung ändern?
Wenn man mit den Verantwortlichen vor Ort spricht, hört man immer mehr, dass man Gesetze nicht versteht, dass man nicht weiß, wie sie angewendet werden sollen. Ich glaube, das kann man sehr schnell besser machen. Bei uns gilt: Klasse statt Masse – weniger, aber dafür gute Gesetze.
Und die Finanzierung?
Nehmen wir zum Beispiel das Bundesteilhabegesetz, das den richtigen Gedanken verfolgt, Menschen mit Behinderungen besser zu unterstützen. Da klagen die Landkreise über eine Kostenexplosion, sagen uns aber gleichzeitig, dass sie den Eindruck haben, dass das Geld gar nicht bei den Menschen direkt ankommt. Das höre ich auch, wenn ich in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen bin. Ich glaube, da müssen wir noch mal drüber schauen. Das würde eine erhebliche Entlastung bringen.
Aber nur an einem einzelnen Punkt.
Unser Signal in Richtung der Kommunen ist, dass wir sie hören und nicht nur über sie reden und ihnen Dinge aufdrücken. Wir müssen uns etwa auch noch die Krankenhäuser anschauen, die Strukturreform. Auch über die grundsätzlichen Bund-Länder-Finanzbeziehungen, auch beim Thema Bildung, muss man auf jeden Fall sprechen. Das wird nichts sein, was man bis Herbst gelöst hat. Aber wir gehen das an.
Presseartiekl:
Rhein-Neckar-Zeitung 13.12.2024